Presseschau – Weser-Kurier: Zu weit weg – Hans-Ulrich Brandt über Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Presseschau der Politik -Presseschau – Bremen – Was macht eigentlich Frank-Walter Steinmeier? Oder anders gefragt: Haben wir überhaupt einen Bundespräsidenten? Es ist still geworden um den ehemaligen Außenminister. Fremdelt er noch mit dem neuen Amt? Fällt ihm der Abschied von der politischen Weltbühne schwerer als gedacht?

Ein Blick ins Internet zeigt: Da ist er noch. Steinmeier hat gerade die Akkreditierungen von sechs Botschaftern entgegengenommen. Und er ist viel unterwegs. Dem Diplomatischen Korps hat er das aufstrebende Sachsen-Anhalt gezeigt, beim „Arraiolos-Treffen“ auf Malta traf er sich mit seinesgleichen, sprich mit den Präsidentinnen und Präsidenten Europas. Nicht zu vergessen die Staatsbesuche.

Der Bundespräsident macht also seinen Job, aber die Öffentlichkeit nimmt davon kaum Notiz. Steinmeier wirkt, als habe er sich verirrt im Schloss Bellevue, er ist verschwunden hinter seinem Amt.

Schon seine 100-Tage-Bilanz im Sommer fiel unspektakulär aus. Trotz seiner Beteuerung, er sei bereits angekommen, wirkt er auch jetzt noch wie ein Suchender. Erschwerend kommt hinzu, dass die Menschen ihn schon so lange kennen. Sein Vorgänger Joachim Gauck kam von außerhalb der Politik, Steinmeier hingegen war schon fast alles: Chef des Kanzleramts, SPD-Kanzlerkandidat, Fraktionschef, Minister. Nun, als Staatsoberhaupt, scheint das Interesse an ihm eher ab- als zuzunehmen.

Einen Paukenschlag setzte Steinmeier bisher nur am Anfang seiner Präsidentschaft. Als er im März nach seiner Vereidigung den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan aufforderte, den Rechtsstaat und die Meinungsfreiheit zu respektieren und hinzufügte: „Geben Sie Deniz Yücel frei“, da weckte das Erwartungen. Ein Bundespräsident ist nicht qua Amt mächtig, er hat nur die Kraft seiner Worte, die aber, zum richtigen Zeitpunkt ausgesprochen, lange nachhallen können. Gauck verstand sich darin, und selbst Christian Wulff, der Kurzzeit-Präsident, löste mit seinem 2010 in Bremen geäußerten Bekenntnis „Der Islam gehört zu Deutschland“ eine Debatte aus, die bis heute andauert.

Was also sagt Steinmeier, angetreten als Mutmacher, als jemand, der „Partei ergreifen will für die Demokratie“? Kann es sein, fragte vor ein paar Monaten die „Süddeutsche Zeitung“, „dass dieser leidenschaftliche Außenpolitiker innenpolitisch eher wenig Text hat“?

Einen zaghaften Versuch, dies zu ändern, hat Steinmeier diese Woche gestartet, als er vor dem „Fieber des Autoritären“ und vor Populisten warnte, die sich „Enttäuschungen und Verunsicherungen zunutze“ machten. Da war er mal nah dran am Volk und doch zugleich weit weg, weil er nur vor einem kleinen Kreis sprach. Steinmeier sollte sich mehr einmischen, sich prominenter äußern zu den – wie er es leider sehr abstrakt ausdrückte – „tiefer liegenden Erschütterungen unserer Zeit“. Wenn eine in Teilen rechtsradikale Partei in den Bundestag einzieht, darf der Bundespräsident nicht schweigen. Spätestens nach diesem Wahlabend ist es Zeit für klare Worte.

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