Frankfurt am Main – Du kannst nur sein, was du auch sehen kannst: Queere Bars in Frankfurt als Orte der Sicherheit und Sichtbarkeit der LSBTIQ+ Community
ffm. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Bars, die sich als queer definieren und solchen, die das nicht tun? Wer darf in eine queere Bar gehen und wie verhält man sich richtig an Orten, die weit mehr als nur Lokale, die wie ein Zuhause für viele ihrer Besucher*innen sind?
Diesen Fragen widmete sich am Freitagabend, 22. Juli, eine Erkundungstour der Volkshochschule Frankfurt am Main. Unter dem Titel „Queeres Bar-Hopping“ luden die Veranstalterinnen Josefine Liebing und Franziska Fandrich mit ihrem Kursprogramm zum Zuhören, Fragen stellen und zum Verstehen von queeren Lebensrealitäten in der Mainmetropole ein.
Die älteste Lesbenbar weltweit und ihre gute Seele Erika „Ricky“ Wild
Bereits der erste Stopp der queeren Expedition quer durch die Stadt stellte den insgesamt 13 Teilnehmer*innen einen Ort vor, der nicht anders als historisch beschrieben werden kann: Die Sachsenhäuser Lesbenbar Club La Gata – spanisch für „die Katze“ – ist tief verwurzelt in der LSBTIQ+ Szene Frankfurts und darüber hinaus die älteste, seit ihrer Eröffnung von derselben Besitzerin geführte Lesbenbar weltweit.
Erst im Vorjahr feierte die Bar ihr 50-jähriges Bestehen mit einem großen Straßenfest. Bekannt ist das La Gata insbesondere für ihre Wirtin Erika Wild, die alle nur Ricky nennen. Mit ihrer lebensfrohen und herzlichen Art begrüßte sie alle interessierten Menschen, die gekommen waren, um die Vielfalt und Weltoffenheit Frankfurts in seinen buntesten Bars zu erleben und zu zelebrieren. Später am Abend standen als weitere Locations noch die Schwulenbars Lucky’s und Tangerine im sogenannten Regenbogenviertel unweit der Konstablerwache auf dem Programm. Auch der Frankfurter Engel, ein wichtiges Mahnmal der Homosexuellenverfolgung in Frankfurt, wurde besucht.
Nachdem sich am Veranstaltungstag noch früh am Abend der erste Trubel gelegt hat und alle Teilnehmer*innen bei einem Willkommensdrink zur Ruhe gekommen sind, beginnt Kursleiterin Josefine Liebing im Club La Gata zu erzählen: „Die Anfänge, die ersten Ideen zum Club La Gata entwickelten sich bereits im Jahr 1969. Zwei Jahre später, im September 1971, eröffnete die Bar und bis heute steht Ricky hinter der Theke.“ Einen Club nur für Frauen, eine Lesbenbar, zu eröffnen, habe in den frühen 70er Jahren viel Mut erfordert. Noch dazu habe es sich bei der Seehofstraße des damaligen Frankfurts, in welche sich das La Gata noch heute gar unscheinbar einreiht, um eine konservativ geprägte Nachbarschaft gehandelt.
„Ich lieb’ meine Mädels einfach“
Die Unscheinbarkeit von außen ist kein Zufall, wie Liebing weiter berichten wird. Von innen ist der Club La Gata eine gemütliche, überschaubare kleine Bar. An den Wänden finden sich viele kleine Bilderrahmen, auch Erinnerungsstücke an Rickys Mädels, wie die Wirtin die Frauen, die bei ihr gerne zu Gast sind, nennt. Darunter beispielsweise auch ein Bild der ehemaligen Fußballnationalspielerin Steffi Jones. „Ich lieb’ meine Mädels einfach. Ich weiß nicht warum, aber ich lieb’ sie einfach“, erzählt Ricky nicht ohne Stolz.
„Ist euch am La Gata etwas aufgefallen im Vergleich zu anderen Bars?“, fragt die Kursleiterin in die Runde, die sich auf einer langen Sitzecke verteilt hat. Nach einigem Hin- und Herüberlegen sowie der Einigkeit über die Heimeligkeit der Bar löst die Kursleiterin auf: „Rickys Bar ist abgedunkelt, die Fenster sind von außen dicht und auch an der Tür vorne gibt es eine kleine Besonderheit: ein Guckloch.“
„Es gab Gerüchte, ich würde die Frauen baden“
Ricky selbst hört erst einmal nur zu, was Liebing, die auch Aktivistin und Pressesprecherin des Bündnis Akzeptanz und Vielfalt Frankfurt ist, den Teilnehmer*innen erläutert. „All das stammt noch aus einer Zeit, in der queere Menschen besonders vorsichtig sein mussten.“ Natürlich waren die dichten Fenster auch eine Frage der Privatsphäre. Diese Eigenschaften hat La Gata mit vielen queeren Bars gemeinsam, unter anderem mit der Schwulenbar Tangerine. Auch dort ist es abgedunkelt, die Bar ist von außen unscheinbar und man sieht noch, wo früher in der Tür ein Guckloch war. Wer nicht direkt nach ihnen sucht, wird diese Bars auch nicht finden. Denn sie sind und waren Safe Spaces. Es gibt jedoch auch solche Lokale, die nicht all diese Merkmale aufweisen. Das Lucky’s etwa liegt zwar versteckt, hat aber offene Fenster.
Bei der Bitte zu berichten, wie das früher so war, in der Anfangszeit des La Gata, winkt Ricky ab. „Ich habe nichts zu erzählen“, sagt sie ein wenig scherzhaft. Ricky verberge die schlechten Erfahrungen manchmal hinter ihrer Frankfurter Zunge, aber in mehr als 50 Jahren, die die Bar nun besteht, habe die gebürtige Seckbacherin viel erlebt, sagt eine ihrer Mädels. Ein bisschen erzählt Ricky dann doch: „Als sie erfuhren, dass die Bar für Frauen war, da gab es Gerüchte ich würde die Frauen baden, hier stände eine große Badewanne.“ Ricky lacht. „Dann habe ich die Nachbarn mit reingenommen und ihnen alles gezeigt.“ Heute sei der Umgang in der Nachbarschaft sehr freundschaftlich.
Sicherheit und Sichtbarkeit der LSBTIQ+ Community
Einige Zeit später ist die Gruppe am Frankfurter Engel angekommen. Es wird Menschen gedacht, die trans- und homofeindliche Gewalt und Verfolgung erleiden mussten. Auch jüngste Angriffe auf Menschen der LSBTIQ+ Community in Frankfurt werden thematisiert. „Trotz aller Erfolge der vergangenen Jahrzehnte sind queerfeindliche Angriffe weiterhin ein Problem. Der Kampf gegen strukturelle Diskriminierung ist und bleibt wichtig“, sagt Josefine Liebing. Es müsse etwa verhindert werden, dass Menschen der Zugang verwehrt wird, weil sie nicht Frau genug aussehen; Geschädigte aus Zeiten der strafrechtlichen Verfolgung von Homosexuellen bis in die 1960er Jahre hinein müssen eine angemessene Entschädigung erfahren.
Ein wichtiges Mittel in diesem Kampf ist Sichtbarkeit – auch aus diesem Grund bedarf es immer wieder aufs Neue, Orte wie Club La Gata, Lucky’s und Tangerine zu zeigen, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu wertschätzen. Erst im Lucky’s und dann im Tangerine klingt der Abend allmählich aus. Whitney Houstons Klassiker „I Wanna Dance With Somebody“ spielt im Hintergrund der Tangerine Bar. „Ich möchte mit jemanden tanzen“, heißt es und dabei ist es egal, welchem Geschlecht diese Person angehört oder welche Sexualität die tanzende Person auszuleben gedenkt.
Text: Anna-Lisa Meil