Bonn – Es geschah am helllichten Tag: Gedenkveranstaltungen 79 Jahre nach dem Novemberpogrom in Bonn

Mittelrhein-Tageblatt - Extra - Bonner Stadtnachrichten - Aktuell -Bonn (NRW) – Am Vormittag des 10. November 1938 brannte die Bonner Synagoge in der ehemaligen Tempelstraße am Rheinufer. Sie war eine von insgesamt fünf jüdischen Gotteshäusern, die in Bonn, Poppelsdorf, Beuel, Bad Godesberg und Mehlem in Brand gesteckt wurden. Mit Gedenkveranstaltungen in Beuel, Bad Godesberg und Bonn am Donnerstag, 9. November 2017, wollen die Initiative zum Gedenken an die Bonner Opfer des Nationalsozialismus und die Stadt Bonn 79 Jahre nach dem Pogrom an die jüdische Bevölkerung in Bonn erinnern.

Gedenkstunde am Bonner Rheinufer am Donnerstag, 9. November 2017

Am Donnerstag, 9. November, um 16 Uhr sind alle Bürgerinnen und Bürger zum öffentlichen Gedenken am Synagogen-Mahnmal am Moses-Hess-Ufer eingeladen. Andrea Hillebrand, M.A., Vorsitzende der Gedenkstätte Bonn, Oberbürgermeister Ashok Sridharan und Dr. Margaret Traub, Vorsitzende der Synagogengemeinde Bonn, erinnern an die Ereignisse und die Opfer des Novemberpogroms vor 79 Jahren. Sie werden musikalisch begleitet von Matthias Höhn. Bereits um 15 Uhr wird es im Opernfoyer, Am Boeselagerhof 1, ein Gedenkkonzert „Remember the past and live for the future“ mit Barry Mehler in Zusammenarbeit mit der Oper Bonn und dem Beethoven-Orchester Bonn geben. Der Eintritt ist frei.
Barry Mehler (geb.1965 in New York), Nachfahre einer jüdischen Familie aus Bonn, studierte an der Juilliard School of Music in New York. Er leitete viele Jahre den großen Synagogenchor in Amsterdam und gründete 2005 den ersten orthodoxen Synagogenchor Deutschlands nach 1945 in München. Barry Mehler ist Direktor und Dirigent des jährlichen Chanukka Konzerts im Concertgebouw in Amsterdam.

Gedenkveranstaltungen in den Stadtbezirken am 9. November

    • Führung über den Friedhof in Mehlem und Andacht

In Mehlem führt am Donnerstag ab 16 Uhr Dr. Barbara Hausmann über den Jüdischen Friedhof. Treffpunkt ist der Eingang an der Ecke Oberaustraße/Levyweg. Männliche Teilnehmer werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen. Ab 17 Uhr folgt eine ökumenische Andacht an der Gedenktafel der Mehlemer Synagoge in der Meckenheimer Straße 45 durch Pfarrer Klaus Merkes. Veranstalter ist die Evangelische Heiland-Kirchengemeinde Bad Godesberg.

    • Andacht und neue Gedenktafeln in Bad Godesberg

In Bad Godesberg gibt es um 18 Uhr in der Oststraße ab 18 Uhr eine Andacht an der Gedenktafel für die dort zerstörte Synagoge mit Pfarrer Jan Gruzlak. Veranstalter der Andacht sind der Evangelische Konvent Bad Godesberg und der Friedenskreis Marienforst.

    • Schweigegang und Kundgebung in Beuel

In Beuel startet um 17.30 Uhr vor dem Rathaus, Friedrich-Breuer-Straße 65, ein Schweigegang. Er führt zum ehemaligen Beueler Synagogenplatz, Siegfried-Leopold-Straße/Friedrich-Friesen-Straße. Hier spricht bei einer Gedenkkundgebung Pfarrerin Bettina Gummel von der evangelischen Gemeinde Beuel-Ost. Sie wird durch Matthias Höhn mit der Klarinette musikalisch begleitet. Danach wird der Schweigegang fortgesetzt. Matthias Höhn begleitet das Gedenken musikalisch. Es folgt um 18.30 Uhr im Jungen Theater Bonn in der Hermannstraße 50 eine Aufführung von zwei jüdischen Menschen mit Behinderung aus Beuel, die an Schewa Dronk und Raphael Herz erinnern. Im Anschluss beantworten Menschen mit Behinderung Fragen zu ihrem Leben heute.

    • Ökumenische Andacht in Poppelsdorf

Im Bonner Stadtteil Poppelsdorf hält Pfarrerin Ulrike Veermann um 19.30 Uhr eine ökumenische Andacht am früheren Platz der Poppelsdorfer Synagoge am Gedenkstein und stählernen Menora Ecke Jagdweg/Bennauerstraße. Veranstalter sind hier die Evangelische Lutherkirchengemeinde und die Katholische St. Sebastian-Gemeinde.

Zur Geschichte des Novemberpogroms in Bonn

Am 7. November 1938 schießt der 17-jährige Herschel Grynszpan, dessen Eltern kurz zuvor von Hannover nach Polen deportiert worden waren, auf den Legationssekretär der deutschen Botschaft in Paris, Ernst vom Rath. Als der Diplomat am 9. November 1938 seinen Verletzungen erliegt, dient die Tat des verzweifelten Jungen als Vorwand, um die Deutschen als Opfer einer angeblichen „jüdischen“ Verschwörung darzustellen und gegen die deutschen Juden vorzugehen. Es folgt ein Pogrom, wie es in Deutschland seit Jahrhunderten nicht mehr stattgefunden hat. Was als spontaner Protest ausgegeben wird, ist eine von der NSDAP schon seit Frühjahr 1938 vorbereitete und organisierte Aktion.

In Bonn – wie auch in anderen Städten – werden die Synagogen nicht in der Nacht vom 9. November auf den 10. November zerstört, sondern am Morgen des 10. Novembers. Der entsprechende Befehl geht erst gegen Mitternacht bei der Gestapo ein, und die zuständige SS-Dienststelle Bonn wartet auf SS-Männer aus dem Umland, um zu verhindern, dass die Beteiligten erkannt werden. Am 10. November werden am helllichten Tag die Synagogen in Bonn, Bad Godesberg, Beuel, Mehlem und Poppelsdorf in Brand gesetzt, Geschäfte und Wohnungen zerstört. In den darauf folgenden Tagen werden viele jüdische Männer verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Nur wenige Bonner, wie die Familie Kahle, helfen ihren jüdischen Bekannten oder Freunden.

Den Programmzettel der Gedenkstätte Bonn in Zusammenarbeit mit der Initiative zum Gedenken an die Bonner Opfer des Nationalsozialismus finden Sie im Anhang.

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Herausgeber: Der Oberbürgermeister der Bundesstadt Bonn, Presseamt, Stadthaus, Berliner Platz 2, 53111 Bonn