Gesundheitspolitik – Bürgerversicherung: Sargnagel für die ambulante Versorgung

Gesundheitsmagazin-Mittelrhein-Tageblatt-Gesundheitspolitik-Frankfurt am Main (HE) – Gesundheitspolitik: Mit deutlicher Kritik hat sich heute der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) in die aktuelle Diskussion um die Einführung der Bürgerversicherung in Deutschland eingeschaltet. Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke, die beiden Vorstandsvorsitzenden der KVH, erklärten dazu heute in Frankfurt:

„Diese Diskussion belastet bereits jetzt massiv die Entscheidung junger Ärztinnen und Ärzte, in die ambulante Versorgung zu gehen. Wir stehen daher – wieder mal – an einer entscheidenden Weggabelung für die Zukunft unseres bewährten Gesundheitssystems: wenn nun aufgrund machtpolitischer Spielchen die Bürgerversicherung eingeführt würde, sollte allen vorher klar sein, was das heißt. Damit würde ein weiterer Sargnagel in das System der ambulanten Versorgung eingeschlagen, die Folgen für die Zukunft der ambulanten Versorgung wären gravierend. Denn wer daran glaubt, dass bei der Einführung einer Einheitsversicherung und Einheitsgebührenordnung die Honorare auf das Niveau der PKV angehoben würden, glaubt wahrscheinlich noch an den Weihnachtsmann. Die Realität sieht anders aus. Ohne die finanzielle Quersubventionierung aus der privaten Krankenversicherung hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit schon deutlich mehr Praxisinhaber in Hessen ihre Tätigkeit beenden müssen.

Das sollten wir endlich einmal anerkennen. Ohne PKV kann doch kaum eine KV, insbesondere in den alten Bundesländern, ihren Sicherstellungsauftrag erfüllen. Man müsste den EBM daher um wenigstens 30% aufwerten um das allein auszugleichen. Mit welchen Folgen für die Beiträge in der GKV auch immer, 1 bis 2% Steigerung werden das wohl werden. Die ambulante Versorgung in Hessen würde sonst zwischen 450 und 600 Millionen Euro pro Jahr verlieren.

Und ein System, das schon im Moment kaum Attraktivität für junge Mediziner bietet, dürfte spätestens dann zum Versorgungs-Rohrkrepierer werden, wenn diese überlebenswichtigen Zuwächse ausblieben. Es ist doch kein Zufall, dass wir allein in Hessen aktuell über 180 freie Haus- und Facharztstellen haben, wie der zuständige Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen noch in der letzten Woche amtlich festgestellt hat. Es ist doch naiv zu glauben, man könnte den nachvollziehbaren Wunsch von Jungmedizinern, für ihre Arbeit nach einer möglichen Niederlassung ein vernünftiges Honorar zu erwirtschaften, mit untauglichen Lösungen aus der politischen Mottenkiste beantworten. Wer so denkt, legt Hand an eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Und er tut es ohne Not.

Wer die gute Gesundheitsversorgung in Deutschland erhalten will, der muss sie stärken. Und dafür sorgen, dass weitere Haupthemmnisse für die Niederlassung wie die Budgets, Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Fallzahlbegrenzungen, Honorarquotierungen, fehlende Planungssicherheit und Regresse endlich abgeschafft werden.

Das wären zukunftsweisende Antworten in der Gesetzlichen Krankenversicherung auf drängende Versorgungsfragen und das sind die, mit denen die Großkoalitionäre in spe Weichen richtig stellen könnten. Stattdessen fehlt dieses klare Bekenntnis zur ambulanten Versorgung. Eine ordnungspolitische Geisterfahrt wie die Bürgerversicherung nützt niemandem, vor allem dann nicht, wenn es schon in wenigen Jahren keine Ärzte mehr geben wird, die sich diese Bedingungen antun werden. Es sei denn, man will mittels der Bürgerversicherung die ambulante Versorgung in der bisherigen Form abwickeln.“

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Urheber: Kassenärztliche Vereinigung Hessen
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