Presseschau – Börsen-Zeitung: Mehr geht nicht, Kommentar zur Konjunktur von Alexandra Baude

Mittelrhein-Tageblatt - Newsportal - Presseschau - Wirtschaft -Presseschau – Frankfurt am Main (HE) – Konjunktur: Deutschland hält im dritten Quartal nicht nur sein Wachstumstempo, sondern legt sogar noch eine Schippe drauf. Wenn das mal keine guten Nachrichten für die potenziellen Jamaika-Koalitionäre sind. Der Verteilungsspielraum scheint größer als gedacht. Dies könnte die nötigen Kompromisse erleichtern, damit eine Regierungsbildung doch noch klappt.

Allerdings würden die von den Politikern in den Raum gestellten Forderungen etwa nach Steuersenkungen, einer Investitionsoffensive und steigenden Umwelt- und Sozialausgaben die Konjunktur unnötig weiter befeuern, da sie kurzfristig wirksam werden. Angeraten sind stattdessen Initiativen, die mehr auf künftiges Wachstum und die Sicherung der Standortqualität zielen.

Stichwort Arbeitsmarkt: In einigen Bereichen herrscht bereits jetzt enormer Fachkräftemangel. Die demografische Entwicklung und mangelnde Einwanderungsgesetze tun ihr Übriges, dass sich die Situation verschärft. Wer hier ansetzt und die Weiterbildung verbessern will, muss finanziell einen langen Atem haben. Stichwort Investitionen: Die Planungsbürokratie stößt schon jetzt an ihre Grenzen, um die bereitgestellten Gelder abfließen zu lassen. Auch in Zeiten, da die Staatsfinanzen nicht mehr so stabil erscheinen, sind höhere Ausgaben notwendig. Sie sollten also abgesichert werden.

Stichwort Unternehmensinvestitionen: Ja, sie ziehen weiter an – dies deutet allerdings eher auf einen Nachholbedarf hin und nicht auf sich verbessernde Rahmenbedingungen. Will man die Investitionsanreize verstärken, kostet auch dies viel Geld – und zwar nicht einmalig, sondern auf Jahre hinaus. Stichwort Rente: In Zeiten guter Konjunktur die Beitragssätze zu reduzieren, ist wohlfeil. Aber ist es wirklich sinnvoll, wenn die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge so kurz vor dem Ruhestand stehen und die Stabilität der Rentenfinanzen dann erneut gefährden? Warum sich nicht ein Beispiel nehmen an Norwegen mit seinem Staatsfonds? Also den vom Sachverständigenrat errechneten Spielraum von 30 Mrd. Euro in einen solchen Fonds packen, um langlaufende Projekte ohne weitere Verschuldung auch in Zeiten fortsetzen zu können, wenn es nicht mehr so gut läuft. Statt auf die Gießkanne müssen die Koalitionäre also auf selektive Investitionen in die Zukunftsbereiche Bildung, Forschung und Entwicklung sowie Digitales setzen.

Es wäre fahrlässig sondergleichen, den momentanen konjunkturellen Rückenwind nicht für zukunftssichernde Maßnahmen zu nutzen – mehr geht nicht. Insofern sind jetzt Staatsmänner gefragt, keine Wahlstrategen!

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