Interviewverbot im Fall „Schwachkopf“: Gericht untersagt Stefan Niehoff öffentliche Aussagen – Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gefährdet?
Der Fall Stefan Niehoff sorgt erneut für Aufsehen – diesmal nicht wegen eines Social-Media-Beitrags, sondern wegen eines ungewöhnlichen Gerichtsbeschlusses: Dem 65-jährigen Rentner aus Bayern ist es ab sofort untersagt, während seiner laufenden Gerichtsverhandlung Interviews oder „interviewähnliche Gespräche“ im gesamten Gerichtsgebäude zu führen. Dieses Verbot wurde vom Amtsgericht Haßfurt ausgesprochen und stößt auf breite Kritik.
Die Entscheidung folgt auf die medienwirksame Hausdurchsuchung bei Niehoff im Jahr 2024. Damals hatte der Rentner auf der Plattform X (vormals Twitter) ein satirisches Meme veröffentlicht, das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit der Überschrift „Was ist Habeck? Ein Schwachkopf“ verunglimpfte. Der Beitrag war Teil eines satirischen Collage-Stils, wie er auf sozialen Medien weit verbreitet ist. Dennoch wurde das Posting als potenzielle Beleidigung gemäß § 188 StGB gewertet. Die ursprüngliche Anklage wurde inzwischen fallengelassen – übrig blieben neue Vorwürfe: Niehoff wird nun wegen angeblicher Volksverhetzung und der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen angeklagt.
Besonders brisant: Das Interviewverbot, das Niehoff nun auferlegt wurde, gilt nicht nur für Mediengespräche im Gerichtssaal, sondern für das gesamte Justizgebäude. Laut Gericht sei die Maßnahme erforderlich zur „Aufrechterhaltung des allgemeinen Dienstbetriebs“, zum „Erhalt der Fluchtwege“ sowie zum „Schutz der Interessen anderer Personen und Beschäftigter“. Gleichzeitig betonte das Gericht, man prüfe die Einrichtung einer Medienzone im Foyer, um zumindest eine begrenzte Möglichkeit zur Pressearbeit zu schaffen.
Niehoffs Anwalt Marcus Pretzell zeigt sich empört: „Mein Mandant hat sich nie volksverhetzend geäußert. Die fraglichen Beiträge stellen Kritik am politischen Geschehen dar – nicht mehr, nicht weniger.“ Tatsächlich hatten mehrere Beiträge von Niehoff, die in der Anklage aufgeführt werden, satirischen oder kritischen Charakter – etwa in Bezug auf das Dritte Reich, wobei laut Verteidigung stets eine distanzierende Darstellung gewählt wurde.
Das Interviewverbot rückt nun die Frage in den Vordergrund, wie weit Gerichte gehen dürfen, um Ordnung zu wahren – und wo die Grenze zur Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit liegt. Kritiker sehen in der Maßnahme einen gefährlichen Präzedenzfall: Wer in der Öffentlichkeit steht und regierungskritische Aussagen tätigt, könne durch solche Auflagen faktisch mundtot gemacht werden.
Der Fall Stefan Niehoff steht sinnbildlich für die zunehmende Spannung zwischen staatlicher Strafverfolgung und der Freiheit des Wortes im digitalen Zeitalter. Während das Verfahren weiterläuft, wird das Interviewverbot wohl nicht das letzte juristische Kapitel in dieser aufgeladenen Auseinandersetzung sein (hk).