Presseschau – Weser-Kurier: Über Duell-Kritik schreibt Joerg Helge Wagner

Aktuelle Deutsche Presseschau - Südwest-News -Presseschau – Bremen – Duell-Kritik: Kulturgeschichtlich haben Duelle den Zweck, todernste Meinungsverschiedenheiten aus der Welt zu schaffen – im Zweifelsfall auch durch das gewaltsame Ableben eines der beiden Beteiligten. So gesehen ist schon die Bezeichnung für das TV-Ereignis, das am Sonntagabend immerhin noch 16,23 Millionen Zuschauer auf gleich fünf Kanälen fesselte, reichlich daneben.

Natürlich hat hier niemand sein Leben riskiert. Vor allem aber geht der Händel zwischen Angela Merkel und Martin Schulz munter weiter. Mindestens bis zum 24. September um 18 Uhr, vermutlich sogar deutlich länger: bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode, so denn Merkel Kanzlerin und Schulz SPD-Chef bleibt. Angesichts dieses Horizonts scheint der Einwand berechtigt, dass die beiden Kontrahenten ja gar nicht den gesamten Themenkanon abgearbeitet haben, der einmal in Regierungshandeln münden muss. Bei einer Sendezeit von 90 Minuten ist das indes gar nicht zu leisten. Diesen Umstand haben auch die vier Moderatoren nicht zu verantworten; sie mussten irgendwie damit klarkommen.

Die folgende Kollegenschelte ist unfair. Etwa der Vorwurf, man habe überwiegend Fragen „aus der AfD- Ecke“ gestellt. Blödsinn! Der Themenkomplex Flüchtlinge/Zuwanderung/Integration wird in allen repräsentativen Umfragen von den Wählern als der wichtigste genannt. Da wäre es doch höchst unprofessionell, überwiegend Fragen zum Klimawandel oder zur Digitalisierung zu stellen. Die entsprechenden Passagen kann sich ohnehin jeder Interessierte mit wenigen Klicks aus den Parteiprogrammen suchen. Die Spitzenkandidaten werden kaum das Gegenteil dessen vertreten, was ihre Parteitage beschlossen haben. Darum geht es beim Format TV-Duell gar nicht.

Man will doch eher sehen, wie die Kontrahenten auf Widerspruch, auf Provokationen reagieren. Etwa, wenn ein Moderator einen Kandidaten mit einem sinnentstellend verkürzten Zitat konfrontiert. Natürlich wurde auch das ausgiebig auf Twitter bemäkelt, dabei wäre es ein Ausweg aus der Ödnis: 90 Minuten echter Stresstest pro Spitzenkandidat statt eines Duells, das seinen Namen nicht wert ist.

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