Am 13. Juni 1971 begann die New York Times mit der Veröffentlichung der geheimen Pentagon-Papiere – ein politisches Beben, das das Vertrauen der amerikanischen Öffentlichkeit in ihre Regierung nachhaltig erschütterte. Die Papiere offenbarten Jahrzehnte der systematischen Täuschung durch mehrere US-Regierungen im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg – und lösten eine beispiellose Debatte über Pressefreiheit, Staatsgeheimnisse und moralische Verantwortung aus.
Ein brisantes Dokument: Die Entstehung der Pentagon-Papiere
Die Pentagon-Papiere waren das Ergebnis einer geheimen Studie des US-Verteidigungsministeriums unter Leitung von Robert McNamara. Auf über 7.000 Seiten dokumentierten sie detailliert die politische und militärische Verwicklung der USA in Indochina zwischen 1945 und 1967. Ziel war es ursprünglich, künftigen Entscheidungsträgern ein umfassendes Bild der US-Strategie in Vietnam zu geben – nicht etwa, diese öffentlich zu machen.
Daniel Ellsberg: Der Whistleblower mit Gewissen
Der ehemalige Pentagon-Mitarbeiter und militärische Analyst Daniel Ellsberg hatte Zugang zu der Studie und entschloss sich 1971, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aus moralischer Überzeugung heraus – und angesichts der immer weiter eskalierenden Kriegshandlungen – übergab er Kopien der geheimen Dokumente an die New York Times. Seine Motivation: Die Öffentlichkeit sollte erfahren, wie sehr sie über Jahre hinweg von ihren Regierungen belogen wurde.
Die erste Veröffentlichung und die Reaktion des Staates
Am 13. Juni erschien der erste Artikel unter dem Titel „Vietnam Archive: Pentagon Study Traces Three Decades of Growing U.S. Involvement“. Die Schlagzeilen schlugen ein wie eine Bombe. Nur zwei Tage später versuchte die US-Regierung unter Präsident Nixon, die weitere Veröffentlichung gerichtlich zu stoppen – mit dem Argument, sie gefährde die nationale Sicherheit.
Es kam zu einem historischen Urteil des Obersten Gerichtshofs. In der Entscheidung New York Times Co. v. United States vom 30. Juni 1971 bestätigte das Gericht mit 6 zu 3 Stimmen das verfassungsmäßige Recht der Presse, auch geheime Informationen zu veröffentlichen – sofern keine akute Gefährdung der nationalen Sicherheit nachweisbar ist.
Ein Wendepunkt für Pressefreiheit und Demokratie
Die Affäre um die Pentagon-Papiere wurde zum Wendepunkt in der Geschichte der amerikanischen Demokratie. Die breite Öffentlichkeit realisierte, dass politische Entscheidungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg, häufig auf bewusster Irreführung basierten. Das Vertrauen in die Regierung nahm massiv Schaden – zugleich wurde die Rolle freier Medien als „vierte Gewalt“ im Staat gestärkt.
Für Daniel Ellsberg hatte sein Handeln weitreichende Konsequenzen: Er wurde wegen Spionage und Verschwörung angeklagt, doch das Verfahren musste wegen illegaler Abhöraktionen und Beweismittelmanipulation durch die Nixon-Regierung eingestellt werden. Ellsberg blieb als Symbolfigur des modernen Whistleblowing in der Geschichte verankert.
Langfristige Folgen und Lehren
Die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere führte nicht direkt zum Ende des Vietnamkriegs – wohl aber zu einer breiteren politischen Diskussion, wachsender Skepsis gegenüber staatlicher Informationspolitik und einem stärkeren gesellschaftlichen Bewusstsein für Regierungstransparenz.
Bis heute gilt die Enthüllung als Lehrstück für investigativen Journalismus und als Meilenstein der Pressefreiheit. Im Jahr 2011 wurden die vollständigen Dokumente schließlich durch das Nationalarchiv öffentlich zugänglich gemacht – inklusive aller zuvor zensierten Passagen.
Pentagon-Papiere Fazit
Am 13. Juni 1971 begann mit der Veröffentlichung der Pentagon-Papiere eine neue Ära in der Beziehung zwischen Regierung, Medien und Öffentlichkeit. Es war der Tag, an dem ein einzelner Mann und eine mutige Redaktion das Machtgefüge in Washington ins Wanken brachten – und damit zeigten, dass Wahrheit und Aufklärung stärker sein können als staatliche Geheimhaltung (hk).