Sondervermögen oder Sonderschulden: Wenn Politiker über Milliardeninvestitionen für die Bundeswehr oder für die marode Infrastruktur sprechen, fällt in letzter Zeit immer wieder ein Begriff auf: Sondervermögen. Was zunächst nach einem gut gefüllten Sparschwein klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als das Gegenteil – nämlich als neue Schulden. Doch warum wird das nicht auch so benannt?
Was steckt hinter dem Begriff Sondervermögen?
Der Begriff „Sondervermögen“ ist kein Zufallsprodukt, sondern ein offiziell definierter Begriff im deutschen Haushaltsrecht. Gemeint sind damit Haushaltsmittel, die rechtlich vom normalen Bundeshaushalt getrennt sind, aber weiterhin dem Staat gehören. Diese Mittel sind zweckgebunden und werden oft außerhalb des regulären Haushalts verwaltet – häufig durch Kredite finanziert.
Wo ist der Begriff gesetzlich verankert?
Der Begriff ist in der Bundeshaushaltsordnung geregelt:
- § 26 Bundeshaushaltsordnung (BHO):
„Für Sondervermögen des Bundes, die nicht im Haushaltsplan veranschlagt sind, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes sinngemäß.“
Zusätzlich existieren für einzelne Sondervermögen eigene Gesetze, zum Beispiel:
- Gesetz über das Sondervermögen „Bundeswehr“ (2022)
- Gesetz zum Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“
- Gesetz zum Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“
- Sondervermögen „Aufbauhilfe 2021“ (Fluthilfe)
Diese Konstruktionen sind also rechtlich legitim – doch ihre zunehmende Nutzung in immer größerem Umfang wird zunehmend kritisch gesehen.
Warum nennt man es nicht einfach Sonderschulden?
Eine berechtigte Frage. Würde man statt von Sondervermögen von Sonderschulden sprechen, wäre die öffentliche Wahrnehmung eine andere. Der Begriff „Vermögen“ vermittelt ein Gefühl von Sicherheit, Rücklage und Stabilität. „Schulden“ hingegen wirken belastend und negativ. Die sprachliche Verpackung wirkt also bewusst beschönigend – ein klassisches Beispiel für sogenanntes politisches Framing.
Wird hier gezielt getäuscht?
Viele Bürger fühlen sich durch diese Begriffswahl getäuscht. Die Politik versucht offenbar, Zustimmung für zusätzliche Ausgaben zu gewinnen, ohne die unangenehmen Details zu betonen. Dass dieser Umgang mit Sprache zunehmend auf Unverständnis trifft, ist nachvollziehbar. Transparenz in der Haushaltsführung sieht anders aus.
Kritik an geplanter Grundgesetzänderung
Zusätzliche Brisanz entsteht durch aktuelle Pläne der Bundesregierung: Um ein weiteres Sondervermögen in Höhe von bis zu einer Billion Euro auf den Weg zu bringen, soll das Grundgesetz erneut geändert werden. Sowohl die AfD als auch die Linke haben dagegen bereits verfassungsrechtliche Schritte angekündigt bzw. Klage erhoben. Sie kritisieren nicht nur die Höhe des neuen Schuldenpakets, sondern auch das Verfahren: Die Änderungen sollen offenbar noch mit der bisherigen Regierungszusammensetzung verabschiedet werden, obwohl die aktuelle politische Lage bereits im Umbruch ist. Kritiker sprechen von einem demokratiepolitisch bedenklichen Vorgehen und warnen vor einer dauerhaften Aushöhlung der Schuldenbremse.
Risiken für Glaubwürdigkeit und Vertrauen
Das Schönreden von Schulden als Vermögen kann auf Dauer das Vertrauen in die politische Kommunikation beschädigen. Wenn die Finanzierung großer Ausgabenpakete nicht mehr ehrlich benannt wird, entsteht ein Gefühl von Intransparenz und Täuschung. Genau das aber untergräbt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Fazit
Ob für Sicherheit, Infrastruktur oder Klimaschutz – über Investitionen darf und soll man diskutieren. Aber dann bitte mit klaren Begriffen. Wenn der Staat neue Schulden aufnimmt, sollte er das auch so benennen. Sondervermögen klingt freundlich – doch am Ende bleibt es ein weiteres Schuldenkonto. Ehrliche Sprache ist die Grundlage für ehrliche Politik (hk).