Wortbruch mit Ansage: Ein kritischer Leitartikel zum Vertrauensverlust durch politische Kehrtwenden der Union von Holger Korsten, Mittelrhein Tageblatt, 2. April 2025 – Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die sogenannte politische Mitte bröckelt – und das schneller, als es manchem in der Union lieb sein dürfte. Während die AfD mit 24 % Umfragewerten beinahe gleichauf mit der Union (25 %) liegt, schrillen bei CDU und CSU intern längst die Alarmglocken. Doch statt eine ehrliche Ursachenanalyse zu betreiben, erleben wir das Gegenteil: Ausweichmanöver, Schönreden, Beschwichtigungen. Genau das, was die Menschen satt haben.
Die 180-Grad-Wende bei der Schuldenbremse – ein politischer Offenbarungseid
Noch Anfang März schlossen führende Unionspolitiker kategorisch aus, einer Aufweichung der Schuldenbremse oder gar einer Grundgesetzänderung zuzustimmen. Friedrich Merz selbst betonte, man werde keinen Kurswechsel in der Haushaltspolitik unterstützen. Nur Tage später – nach neuen geopolitischen Entwicklungen und Verhandlungen mit der Ampel – stimmte die Union dann genau diesem Vorhaben zu. Eine 180-Grad-Kehrtwende, wie sie seltener und drastischer kaum denkbar ist.
Was zurückbleibt? Enttäuschung. Und das Gefühl, dass selbst große, öffentlichkeitswirksame Wahlversprechen offenbar nichts mehr wert sind. Die Wählerinnen und Wähler merken das – und sie reagieren. Nicht mit Protest auf der Straße, sondern mit der schleichenden, aber gefährlichen Abwendung von demokratischen Parteien.
Philipp Amthor bei Lanz: Sinnbild einer Politik ohne klare Linie
Hinzu kommt der desaströse Auftritt von Philipp Amthor bei „Markus Lanz“ am 26. März 2025. Statt Klartext zu reden, windete sich der CDU-Abgeordnete bei nahezu jeder Nachfrage, rechtfertigte die Reform des Informationsfreiheitsgesetzes und verhedderte sich in Argumentationsketten, die nicht nur unglaubwürdig, sondern stellenweise arrogant wirkten. Besonders bitter: Das neue Gesetz hätte genau jene Recherchen verhindert, die einst seine eigene Lobby-Affäre bei Augustus Intelligence aufdeckten.
Für viele Zuschauer war klar: Das ist genau die Art von Politik, die Misstrauen nährt – und die AfD stärkt. Nicht, weil sie besser wäre, sondern weil sie konsequenter erscheint. Ein Trugschluss, gewiss – aber einer, dem sich ein wachsender Teil der Bevölkerung offenbar nicht mehr entziehen kann.
Letzte Chance für die politische Mitte

Diese Regierung – aber auch die Opposition – hat jetzt nur noch eine letzte Chance. Und zwar, Glaubwürdigkeit durch Konsequenz zurückzugewinnen. Ein „Weiter so“, bei dem politische Kurswechsel über Nacht und ohne transparente Kommunikation vollzogen werden, wird das Land weiter spalten – und die AfD zur stärksten Partei bei der nächsten Bundestagswahl machen.
Es ist höchste Zeit, wieder das zu tun, was Politik eigentlich leisten soll: Verlässlichkeit. Ehrlichkeit. Haltung. Wer weiter glaubt, man könne Wählerinnen und Wähler mit taktischen Manövern und leerem Gerede ruhigstellen, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden.
Die nächste Wahl könnte das bitter bestätigen (hk).