Von der Neutronenbombe zur Supermacht – Chinas nuklearer Aufstieg – Am 15. Juli 1999 sorgte eine unscheinbare Mitteilung aus Peking weltweit für Aufsehen: Die chinesische Regierung erklärte öffentlich, dass das Land über die Technologie zum Bau einer Neutronenbombe verfüge. Diese Waffe – offiziell als „Enhanced Radiation Weapon“ bezeichnet – galt als perfide Weiterentwicklung klassischer Nuklearwaffen: Sie tötet durch massive Strahlung, während Gebäude und Technik weitgehend unversehrt bleiben. Chinas Bekanntmachung markierte nicht nur einen technologischen Meilenstein, sondern auch ein politisches Signal – das Land beanspruchte seinen Platz im exklusiven Kreis nuklearer Großmächte.
Doch was folgte, war kein Wettrüsten mit Neutronenbomben. Im Gegenteil: Der mystische Status dieser Waffe blieb – bis heute – eher symbolisch. Es gibt keinerlei Beweise, dass China die Neutronenbombe je in Serie gebaut oder stationiert hat. Stattdessen begann eine stille, aber kontinuierliche Aufrüstung, die heute in einer völlig neuen Dimension angekommen ist.
Die nukleare Strategie Chinas im Wandel
Chinas Atompolitik war lange von Zurückhaltung geprägt. Die sogenannte „No First Use“-Doktrin, die einen atomaren Erstschlag ausschließt, gilt offiziell bis heute. Doch während Peking seine friedliche Absicht beteuert, sprechen die Fakten eine andere Sprache: Das Arsenal wird ausgebaut, die Technik modernisiert, die Reichweite erweitert. Die einstige defensive Haltung verwandelt sich zunehmend in strategische Abschreckung.
Während man 2006 noch von etwa 200 chinesischen Nuklearsprengköpfen ausging, liegt die geschätzte Zahl heute bei über 600 – Tendenz steigend. Die USA rechnen damit, dass China bis 2030 sogar mehr als 1.000 Sprengköpfe besitzen könnte. Neue Raketensilos, mobile Interkontinentalraketen (wie die DF-41) und atomar bestückte U-Boot-Systeme (wie die JL-3) sind Ausdruck einer vollständigen nuklearen Triade – zu Wasser, zu Land und in der Luft.
Was wurde aus der Neutronenbombe?
Trotz der damaligen Ankündigung gibt es bis heute keine Hinweise, dass China Neutronenwaffen tatsächlich entwickelt oder einsatzbereit gemacht hat. Experten sehen die Erklärung von 1999 heute vor allem als politisches Druckmittel, als Beweis technologischer Gleichwertigkeit mit den USA und Russland. Die tatsächliche strategische Bedeutung dieser Waffe verlor mit den Jahren an Relevanz – stattdessen setzte China auf Reichweite, Überlebensfähigkeit und Flexibilität seines Arsenals.
2025: Eine nukleare Supermacht im Stillen
Im Jahr 2025 steht China nuklear stärker da als je zuvor – nicht mit spektakulären Einzelwaffen wie der Neutronenbombe, sondern mit einem massiv erweiterten und technologisch hochgerüsteten Arsenal. Die Modernisierung der Trägersysteme, der Bau neuer Silos und die strategische Integration in das militärische Denken zeigen deutlich: China verfolgt nicht nur das Ziel der Abschreckung, sondern auch den globalen Machtanspruch.
Der Schritt von der symbolischen Neutronenbombe zur realen atomaren Supermacht ist längst vollzogen – still, kontrolliert und strategisch kalkuliert. Die Welt schaut hin – und hält den Atem an. (hk)