80 Jahre nach dem Krieg und noch immer kein Frieden – Ein Kommentar zum 80. Jahrestag des Kriegsendes in Europa – und zur tragischen Wiederholung menschlicher Fehler – Warum die Menschheit einfach nichts lernt.
Ein Kommentar von Holger Korsten, Chefredakteur vom Mittelrhein Tageblatt:
Wenn man in diesen Tagen in die Geschichtsbücher blickt – oder einfach nur durch die Chroniken von Wikipedia scrollt – begegnet man einer endlosen Abfolge von Kriegen, Schlachten, Feldzügen und Eroberungen. Die Namen wechseln, die Grenzen verschieben sich, die Fahnen verändern ihre Farben. Doch das Muster bleibt gleich: Gewalt, Machtausübung, Blutvergießen.
Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 80. Mal. Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren. Städte lagen in Trümmern. Europa war verwüstet. Der Schwur „Nie wieder Krieg!“ hallte durch die Ruinen, getragen von Hoffnung, Schuld und der bitteren Erfahrung grenzenlosen Leids.
Und doch – was ist aus diesem Schwur geworden?
Geschichte wiederholt sich. Leider.
Der Blick in die Gegenwart ist ernüchternd. In der Ukraine tobt seit 2022 ein brutaler Angriffskrieg. Russland, unter der Führung von Wladimir Putin, missachtet die territoriale Souveränität eines Nachbarstaates, zerstört Städte, tötet Zivilisten, verschleppt Kinder. Die Weltgemeinschaft ist entsetzt – und doch nahezu machtlos. Der Krieg, der längst zu einem zermürbenden Stellungskrieg geworden ist, steht exemplarisch für das Versagen der Menschheit, aus ihrer Vergangenheit zu lernen.
Und jenseits des Atlantiks: In den USA formiert sich mit der erneuten Präsidentschaft Donald Trumps (2025) eine politische Bewegung, die nicht auf Diplomatie, Verständigung oder internationale Zusammenarbeit setzt – sondern auf Abschottung, Nationalismus und Konfrontation. Multilaterale Verträge werden infrage gestellt, das Vertrauen in internationale Institutionen systematisch untergraben. Die Weltordnung wankt – erneut.
Warum fällt Frieden der Menschheit so schwer?
Es ist eine der grundlegendsten Fragen überhaupt: Warum kann die Menschheit nicht einfach in Frieden nebeneinander leben? Warum muss das Streben nach Macht, Besitz und Kontrolle stets über Empathie und Mitgefühl siegen?
Vielleicht liegt es an den tief verwurzelten Strukturen von Gier, Angst und Machthunger. Vielleicht daran, dass Geschichte oft von Siegern geschrieben wird – und nicht von den Opfern. Vielleicht auch daran, dass Erinnerung nicht gleich Erkenntnis ist.
Denn während wir Denkmäler pflegen und Gedenktage begehen, scheint das eigentliche Lernen zu kurz zu kommen. Die Welt hat sich technologisch rasant weiterentwickelt – moralisch jedoch oft keinen Zentimeter bewegt.
Die Lehre, die keine ist
80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stehen wir wieder an einem Abgrund: Der Rechtsruck in vielen Ländern, die globalen Spannungen, das Versagen gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels, die wachsende Ungleichheit und der Rückfall in autoritäre Denkmuster sind Warnsignale, die wir nicht überhören dürfen.
Wenn Erinnerung zur bloßen Zeremonie wird – ohne Konsequenz im Handeln – dann ist sie sinnlos.
Fazit: Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg
Frieden entsteht nicht von allein. Er ist Arbeit, Haltung, tägliche Entscheidung. Wenn wir als Gesellschaft nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – in der Bildung, in der Politik, in der Sprache, im Dialog – dann wird die Geschichte sich immer wiederholen.
Der 8. Mai muss mehr sein als ein Tag des Gedenkens. Er muss ein Tag der unbequemen Fragen sein. Warum lernen wir nicht? Was hindert uns daran? Und was müssen wir tun, damit die Welt nicht noch einmal in Flammen aufgeht?
Denn eines ist klar: Die Zukunft entscheidet sich nicht in Rückblicken – sondern in unserem Verhalten im Hier und Jetzt (hk).