AfD fordert Minister-Haftung bei Amtspflichtverletzungen – Bürger fragen: Warum haften Kassiererinnen, aber keine Politiker?
Minister-Haftung bei Amtspflichtverletzungen, Hamburg, Berlin – Der Ruf nach politischer Verantwortung wird lauter. Die AfD-Fraktion im Bundestag bringt derzeit einen Gesetzentwurf ein, der für hitzige Debatten sorgt: Bundesminister sollen künftig persönlich haften, wenn sie durch grobe Amtspflichtverletzungen dem Staat finanziellen Schaden zufügen. Ein Vorschlag, der insbesondere mit Blick auf jüngste politische Fehlentscheidungen wie die gescheiterte Pkw-Maut, das Debakel um Corona-Beschaffungen oder die umstrittenen Subventionen für das schwedische Unternehmen Northvolt bei vielen Bürgern auf Zustimmung trifft.
AfD-Bundestagsabgeordneter Sebastian Münzenmaier schreibt auf X (vormals Twitter): „Ob Corona, Northvolt oder Maut: Spahn, Habeck und Scheuer setzten hunderte Millionen Euro Steuergeld in den Sand. Konsequenzen? Null! Daher unser Gesetzentwurf im Bundestag: Bundesminister müssen bei Amtspflichtverletzungen haften!“
Tatsächlich wurden in den genannten Fällen Summen in dreistelliger Millionenhöhe verschwendet – ohne dass persönliche Konsequenzen für die beteiligten Minister folgten. Währenddessen erleben einfache Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig, wie bereits geringfügige Verfehlungen zu harten arbeitsrechtlichen Maßnahmen führen können. Die Diskrepanz ist offenkundig – und zunehmend Gegenstand öffentlicher Empörung.
Wenn Kassiererinnen härter belangt werden als Minister
Besonders aufschlussreich sind Beispiele aus der Arbeitsrechtsprechung, die zeigen, wie konsequent in anderen Lebensbereichen vorgegangen wird – teils mit drastischen Folgen für die Betroffenen:
Der Fall „Emmely“
Ein Klassiker unter den arbeitsrechtlichen Urteilen ist der Fall der Berliner Kassiererin Barbara Emme, besser bekannt unter dem Pseudonym „Emmely“. Ihr wurde 2008 fristlos gekündigt, weil sie zwei Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro eingelöst haben soll, die nicht ihr gehörten. Sowohl das Arbeitsgericht Berlin als auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigten zunächst die Kündigung mit Verweis auf einen irreparablen Vertrauensverlust.
Erst das Bundesarbeitsgericht hob 2010 diese Entscheidung auf – mit der Begründung, dass angesichts von Emmes 31-jähriger Betriebszugehörigkeit und des erstmaligen Fehlverhaltens eine Kündigung unverhältnismäßig gewesen sei. Dennoch: Die arbeitsrechtlichen Instanzen hatten bis zur höchsten Ebene auf Sanktion bestanden.
Der Bonbon-Fall
In einem anderen Fall wurde einer Kassiererin fristlos gekündigt, weil sie ein Bonbon während der Arbeit konsumierte – angeblich eines, das auf die Ware eines Kunden gefallen war. Der Arbeitgeber bewertete das Verhalten als Diebstahl. Erst das Arbeitsgericht Paderborn erklärte die Kündigung 2016 für unwirksam. Der Vorfall sei keine schwerwiegende Pflichtverletzung, so das Urteil – doch allein der Umstand, dass ein solches Verhalten zu einem Gerichtsverfahren führen konnte, bleibt bemerkenswert.
Der Bienenstich-Fall
Bereits 1984 entschied das Bundesarbeitsgericht im sogenannten „Bienenstich-Fall“, dass die Entwendung eines Stücks Kuchen durch eine Verkäuferin eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Obwohl der materielle Schaden minimal war, wurde die Kündigung wegen Vertrauensmissbrauchs bestätigt – eine bis heute in Arbeitsrechtsschulungen zitierte Entscheidung.
Zwei Maßstäbe für Verantwortung?
Diese Beispiele werfen ein grelles Licht auf die bestehenden Unterschiede bei der Bewertung von Fehlverhalten: Während einfache Arbeitnehmerinnen für Bagatelldelikte umgehend ihre Existenzgrundlage verlieren können, bleiben verantwortliche Ministerinnen und Minister selbst bei horrenden Haushaltsdesastern in aller Regel straffrei. Die politische Verantwortung erschöpft sich oft in Lippenbekenntnissen – persönliche Konsequenzen sind selten.
Die AfD will diese Ungleichbehandlung mit ihrem Gesetzentwurf beenden. Die geplante Regelung sieht vor, dass Bundesminister künftig zivilrechtlich haftbar gemacht werden können, wenn sie durch grobe Pflichtverletzungen nachweislich finanziellen Schaden für den Staat verursachen. Eine klare gesetzliche Grundlage für die Ministerhaftung existiert bislang nicht – obwohl Artikel 34 Grundgesetz grundsätzlich eine Schadensersatzpflicht bei Amtspflichtverletzungen vorsieht, allerdings stets den Staat als haftenden Akteur nennt, nicht den Beamten oder Minister selbst.
Fazit zur Minister-Haftung bei Amtspflichtverletzungen
Der Vorstoß der AfD trifft einen Nerv. Immer mehr Menschen empfinden das aktuelle System als ungerecht: Die einen verlieren wegen Kleinigkeiten ihre Jobs – die anderen verschwenden Millionen und bleiben unbehelligt. Der Gesetzentwurf könnte der Beginn einer längst überfälligen Diskussion sein – über Verantwortlichkeit, Gerechtigkeit und die Frage, ob politisches Handeln ohne persönliche Haftung noch zeitgemäß ist. (hk)