Grenzpolitik im Fokus: SPD-Politikerin Sonja Eichwede warnt vor rechtswidrigen Zurückweisungen von Asylsuchenden

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Zurückweisungen von Asylsuchenden, Hamburg, BerlinDie stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sonja Eichwede, hat deutlich gemacht, dass sie keine flächendeckenden Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen erwartet. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk stellte sie klar, dass solche Maßnahmen nur im Einklang mit europäischem Recht und in enger Abstimmung mit Partnerländern möglich seien.

Hintergrund der Äußerungen ist die Debatte um verstärkte Grenzkontrollen und potenzielle Zurückweisungen, insbesondere nach Ankündigungen aus Kreisen der Unionsparteien. Eichwede betonte jedoch, dass Innenminister Alexander Dobrindt bislang keine klare Weisung an die Bundespolizei gegeben habe, Asylsuchende generell an der Einreise zu hindern. „Ich gehe davon aus, dass die Beamten an den Grenzen es deshalb weiterhin nicht tun werden“, erklärte sie.

Die SPD-Politikerin warnte zudem davor, geltendes Recht aus politischem Aktionismus heraus zu unterlaufen. Einseitige Zurückweisungen ohne rechtliche Grundlage könnten zu Gerichtsverfahren führen, sagte sie mit Blick auf mögliche Klagen bei Verstößen gegen europäische Vorschriften.

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Merz im Widerspruch zu eigenen Versprechen

Besonders brisant ist die aktuelle Zurückhaltung angesichts der vollmundigen Ankündigungen von Bundeskanzler Friedrich Merz im Wahlkampf. Der CDU-Chef hatte vor der Bundestagswahl mehrfach betont, dass er noch am Tag seiner Amtsübernahme Anweisungen zur systematischen Zurückweisung illegal einreisender Migranten an den deutschen Außengrenzen erteilen werde. Diese Aussage wurde nicht nur zu einem zentralen Wahlkampfversprechen der Union, sondern auch als symbolträchtiges Signal gegen die damalige Migrationspolitik der Ampelkoalition verstanden.

Doch nun, nur wenige Tage nach seiner Vereidigung zum Bundeskanzler, ist von diesen entschlossenen Maßnahmen wenig zu sehen. Weder liegen Weisungen an die Bundespolizei vor, noch gibt es ein abgestimmtes Konzept mit europäischen Partnern zur praktischen Umsetzung solcher Zurückweisungen. Kritiker werfen Merz daher vor, seine Wahlversprechen nicht einzulösen und die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel zu setzen – insbesondere gegenüber Wählern, die sich von einem Kurswechsel in der Migrationspolitik konkrete Ergebnisse erhofft hatten.

Zurückweisungen von Asylsuchenden: Rechtliche Hürden – Was die Dublin-Verordnung erlaubt – und was nicht

Nach geltendem EU-Recht – insbesondere der Dublin-III-Verordnung – ist grundsätzlich der EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Schutzsuchender zuerst registriert wurde oder nachweislich eingereist ist. Wenn also ein Asylbewerber aus einem sogenannten „sicheren Drittstaat“ wie etwa Italien, Frankreich oder Polen nach Deutschland kommt, kann eine Rücküberstellung beantragt werden – aber nur im Rahmen eines geregelten Dublin-Verfahrens.

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Eine sofortige Zurückweisung an der Grenze, ohne individuelle Prüfung und ohne Beteiligung des anderen EU-Staates, ist jedoch nicht erlaubt. Deutschland muss ein formelles Übernahmeersuchen an das entsprechende EU-Land stellen. Zudem darf eine Rücküberstellung nur erfolgen, wenn dort ein menschenrechtskonformes Asylverfahren sichergestellt ist. Das wurde beispielsweise bei Griechenland und Ungarn zeitweise verneint, weshalb dorthin keine Überstellungen stattfanden.

Damit sind einfache Grenz-Zurückweisungen – wie sie von einigen politischen Lagern gefordert werden – in der Realität rechtlich nicht umsetzbar, ohne europäisches Recht zu verletzen. Und genau das hätte Friedrich Merz wissen müssen.

AfD nutzt Thema für Stimmungsmache

Vertreter der AfD verbreiten das Thema derzeit verstärkt auf sozialen Netzwerken und stellen es als angebliche Verweigerung effektiver Grenzpolitik durch die SPD dar. Kritiker werfen der AfD jedoch vor, rechtliche Zwänge bewusst auszublenden, um Stimmungen gegen Geflüchtete zu schüren.

Wie sich die Bundesregierung in der Praxis aufstellt, bleibt unterdessen abzuwarten. Derzeit sind laut Bundesinnenministerium punktuelle Grenzkontrollen an mehreren Übergängen aktiv – diese dienen laut offiziellen Angaben vor allem der Schleierfahndung und der Bekämpfung von Schleuserkriminalität.

Die rechtliche Debatte um Zurückweisungen bleibt somit weiterhin ein politisches und juristisches Spannungsfeld – mit erheblicher Sprengkraft für den gesellschaftlichen Diskurs.

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Kommentar von Holger Korsten, Mittelrhein Tageblatt:
Versprochen, was nicht haltbar war? Merz steht im Wortund im Widerspruch zur Rechtslage

Dass Friedrich Merz als Bundeskanzler bislang keine Zurückweisungen angeordnet hat, ist rechtlich gesehen folgerichtig – politisch jedoch ein Debakel. Denn er hat vor der Wahl ein Versprechen abgegeben, das sich bei genauer Betrachtung nie ohne Bruch des EU-Rechts hätte einlösen lassen. Wer öffentlich verkündet, „ab Tag eins“ an den Grenzen zurückweisen zu lassen, suggeriert Handlungsfreiheit, wo kaum Spielraum besteht. Das wirkt im Rückblick wie ein bewusst gesetzter populistischer Impuls – vielleicht kalkuliert, um enttäuschte Wähler von AfD oder BSW zurückzugewinnen.

Die Frage, ob Merz hier bewusst getäuscht hat oder lediglich die Komplexität des Asylrechts unterschätzt hat, bleibt offen. Doch für viele Wähler ist die Enttäuschung real – und das Vertrauen beschädigt. Wer mit rechtlich unhaltbaren Versprechen Wahlkampf macht, riskiert letztlich die Glaubwürdigkeit des gesamten demokratischen Prozesses.

Und genau darin liegt die eigentliche Gefahr: Wenn etablierte Parteien Erwartungen schüren, die sie später nicht erfüllen können – oder wollen –, öffnet das extremen Kräften Tür und Tor. Die AfD wird diese Lücke weiterhin gezielt besetzen. Wenn sich an der aktuellen Linie nichts grundlegend ändert, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie bei der nächsten – möglicherweise sogar vorgezogenen – Bundestagswahl als stärkste Kraft hervorgeht. Das wäre nicht nur ein Denkzettel für die Union – sondern ein Weckruf für die Demokratie (hk).