Bayern-Schock: In 275 Schulklassen in Bayern kein einziges Kind mit deutscher Muttersprache – In Bayerns Schulen verdichten sich die Hinweise auf einen tiefgreifenden sprachlichen und gesellschaftlichen Wandel. Nach einer schriftlichen Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Markus Walbrunn an die Staatsregierung wurde bekannt: In 275 Regelklassen bayerischer Schulen sitzt kein einziges Kind mit deutscher Muttersprache. In über 10.000 weiteren Regelklassen stellen Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache bereits die Mehrheit. Die Zahlen, die auf einer offiziellen Antwort des Bayerischen Kultusministeriums beruhen, sorgen für eine breite Diskussion über Integration, Bildungsgerechtigkeit und die Zukunft der deutschen Sprache im Klassenzimmer.
Was genau wurde erfragt?
Die Grundlage dieser Debatte ist eine parlamentarische Anfrage im Bayerischen Landtag. Walbrunn wollte wissen, wie viele Schüler in Bayerns Regelklassen Deutsch als Muttersprache haben – und wie viele nicht. Die Antwort des Kultusministeriums zeigt ein deutliches Bild:
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In 275 Regelklassen wurde kein einziges Kind mit deutscher Muttersprache erfasst.
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In über 10.000 Klassen haben Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache die Mehrheit.
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Landesweit sprechen 31,6 Prozent der Erstklässler zu Hause kein Deutsch, in Städten wie München liegt der Anteil bereits bei über 55 Prozent.
Erfasst wird dabei ausschließlich, ob ein Kind Deutsch oder Nicht-Deutsch als Muttersprache angibt – nicht jedoch der Pass oder die Staatsangehörigkeit. Das bedeutet: Auch Kinder mit deutschem Pass können statistisch als „nichtdeutsche Muttersprache“ gelten, wenn sie zu Hause überwiegend eine andere Sprache sprechen.
Was bedeutet „0 Prozent deutsche Muttersprache“?
Wenn in einer Klasse offiziell „0 Prozent deutsche Muttersprache“ erfasst sind, heißt das: Kein Kind hat Deutsch als Muttersprache angegeben.
Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass kein Kind Deutsch spricht – viele wachsen mehrsprachig auf. Dennoch zeigt die Statistik ein deutliches Problem: In diesen Klassen fehlt häufig das natürliche Sprachvorbild, das lange als Schlüssel für erfolgreiche Integration galt. Lehrkräfte stehen damit vor der Herausforderung, sowohl Sprachförderung als auch regulären Unterricht parallel zu leisten.
Deutsch zu Hause: Eine Sprache verschwindet aus dem Alltag
Die nüchterne Statistik verdeckt eine noch tiefere Realität: In vielen dieser Klassen wird zu Hause überhaupt kein Deutsch gesprochen.
Das Bayerische Kultusministerium spricht inzwischen ausdrücklich von einer „deutlich wachsenden Zahl von Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Alltagssprache“ – ein entscheidender Begriff.
Er bedeutet: Deutsch ist in diesen Familien nicht die Familiensprache, sondern wird fast ausschließlich in Kindergarten und Schule verwendet.
In Städten wie München, Nürnberg oder Augsburg liegt der Anteil dieser Kinder bereits bei über 70 Prozent in einzelnen Bezirken. Das hat weitreichende Folgen:
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Der Kontakt zu deutschsprachigen Spielkameraden wird seltener.
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Das Sprachumfeld in der Freizeit bleibt häufig muttersprachlich geprägt – Deutsch wird damit zur Fremdsprache im eigenen Land.
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Lehrerinnen und Lehrer berichten, dass viele Kinder beim Schuleintritt kaum ein vollständiges deutsches Satzverständnis haben.
Sprache prägt Denken, Lernen und Identität – fehlt sie im familiären Umfeld, muss Schule diese Grundarbeit übernehmen. Genau das geschieht derzeit in hunderten bayerischen Klassenzimmern – oft ohne ausreichende Unterstützung.
Mehrheitsverhältnisse kippen in tausenden Klassen
Die Zahl von 275 Klassen ist nur die Spitze des Eisbergs. Laut der Landtagsantwort kippt in über 10.000 Regelklassen das Verhältnis zugunsten von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache.
Das bedeutet, dass in immer mehr Schulen Deutsch nicht mehr die dominierende Sprache im Alltag ist – mit erheblichen Folgen für das Lernen, die Verständigung und das soziale Miteinander.
Bereits in früheren Jahren zeigte sich dieser Trend: Der Anteil nichtdeutscher Muttersprachler an Bayerns Grundschulen steigt kontinuierlich. Besonders in Großstädten und Ballungsräumen ist Deutsch als Erstsprache längst in der Minderheit.
Bildungspolitische Sprengkraft
Die Veröffentlichung der Zahlen hat hohe Wellen geschlagen:
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Vertreter der AfD sprechen von einem „alarmierenden Befund“ und einem „Spiegelbild gescheiterter Integrationspolitik“.
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Das Bayerische Kultusministerium verweist auf gezielte Fördermaßnahmen, verpflichtende Sprachstandstests und Deutsch-Vorkurse, um Kinder besser auf den Unterricht vorzubereiten.
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Bildungsexperten warnen vor einer Überlastung der Schulen und fordern kleinere Klassen, mehr Sprachlehrkräfte und zusätzliche Förderstunden.
Klar ist: Sprachförderung braucht Ressourcen – und zwar flächendeckend. In vielen Schulen sind Lehrkräfte längst an der Belastungsgrenze.
Alltag in den Schulen: Lehrkräfte zwischen Sprachkurs und Unterricht
Für viele Lehrerinnen und Lehrer ist die Realität längst Alltag: In Klassenzimmern mit 20 bis 25 Kindern gibt es kaum noch Muttersprachler, die Deutsch als Erst- und Alltagssprache verwenden.
Das bedeutet: Lehrer müssen neben Mathematik, Sachkunde und Deutschunterricht auch grundlegende Sprachkenntnisse vermitteln – eine Doppelbelastung, die ohne Unterstützung kaum zu bewältigen ist.
Zudem fehlen vielerorts Sprachassistenten, Sozialpädagogen und Förderstrukturen. Die Folge: Leistungsunterschiede nehmen zu, das Bildungsniveau sinkt, und der Druck auf die Schulen wächst.
Integration oder Überforderung?
Während die Staatsregierung auf Integration durch Bildung setzt, zeigen sich viele Kommunen und Schulen zunehmend überfordert. Ohne ausreichende Unterstützung droht die Sprachförderung zu einem reinen Notprogramm zu werden.
Denn Sprache ist der Schlüssel zu Integration – wer sie nicht beherrscht, bleibt ausgeschlossen: vom Unterricht, von Freundschaften, vom gesellschaftlichen Leben.
In Klassen ohne deutsche Muttersprachler wird Integration zur Mammutaufgabe.
Gleichzeitig gilt: Mit der richtigen Förderung können Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, große Fortschritte machen. Erfolg hängt also weniger von der Herkunft ab – sondern von den Rahmenbedingungen, die Politik und Gesellschaft schaffen.
In 275 Schulklassen in Bayern kein einziges Kind mit deutscher Muttersprache Fazit: Ein Weckruf für Bildung und Gesellschaft
Die offiziellen Zahlen sind ein Warnsignal – nicht, um Ängste zu schüren, sondern um Handlungsbedarf klar zu benennen. In 275 bayerischen Regelklassen fehlt ein sprachliches Fundament, das früher selbstverständlich war.
Deutsch als Muttersprache ist dort keine Selbstverständlichkeit mehr – und damit steht die Schule als Ort der Integration mehr denn je im Mittelpunkt gesellschaftlicher Verantwortung.
Die Frage ist nicht, ob Vielfalt gut oder schlecht ist – sondern, ob das Bildungssystem darauf vorbereitet ist. Noch ist es das vielerorts nicht. (hk)
Quellen: Bayerischer Landtag (Drucksache 19/5486), Bayerisches Kultusministerium, dpa, NIUS.de, BR24, Süddeutsche Zeitung, Merkur.de