Sozialverband VdK Präsidentin Verena Bentele zu 100 Tage Bundeskanzler Merz: „Noch große Leerstellen in der Sozialpolitik“
- VdK: Debatte um den Sozialstaat teilweise faktenfrei geführt
- VdK-Präsidentin fordert große Reformen statt Schlagzeilen
Laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend sind nur 29 Prozent der Bevölkerung mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. VdK-Präsidentin Verena Bentele findet, das ließe sich ändern:
„Die Top-Themen auf der politischen Agenda waren: Außenpolitik, Rüstungsinvestitionen und Innovationsförderung. In vielen Bereichen wird entschlossen gehandelt und Zukunft gestaltet. Außer beim Thema Rente fehlt dagegen ein kraftvolles Angehen der sozialpolitischen Themen. Statt zu betonen, wie wichtig ein gut funktionierender Sozialstaat für den demokratischen Zusammenhalt ist, wird teilweise faktenfrei über Einsparungen und Kosten lamentiert. Ein starkes Bekenntnis zu einem leistungsfähigen und gerechten Sozialstaat ist bisher ausgeblieben. Die Menschen fragen sich zurecht, warum diese gesellschaftlich relevanten Themen nicht ganz oben auf der Agenda stehen und alle wichtigen Entscheidungen in Kommissionen ausgelagert werden.

Dennoch gibt es auch die Habenseite: Nennenswert sind die Absicherung des Rentenniveaus, die Mütterrente sowie die Verlängerung der Mietpreisbremse bis ins Jahr 2029. Diese Maßnahmen sind zweifellos positive Entwicklungen, aber sie können nicht verheimlichen, dass dort, wo echter Fortschritt gefragt wäre, Mutlosigkeit dominiert. Ein Beispiel ist die bisher ausbleibende Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes. Die Regierung hatte sich in ihrem Sofortprogramm vorgenommen, Verbesserungen in den ersten 100 Tagen zu liefern und bleibt diese bisher schuldig. Millionen von Menschen – Ältere, schwerbehinderte Personen oder Menschen mit Mobilitätseinschränkungen – bleiben weiterhin von wirklicher Teilhabe ausgeschlossen und werden systematisch benachteiligt, weil die Bundesregierung sich nicht auf wirksame Reformen im Bereich der Barrierefreiheit einigen kann.
Auch bei der Pflege besteht noch großer Handlungsbedarf. Unabhängig von den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe muss die häusliche Pflege, die das Rückgrat unserer alternden Gesellschaft ist, endlich gestärkt werden: Der größte Pflegedienst des Landes sind die Angehörigen. Es ist höchste Zeit, ihnen durch bessere finanzielle Rahmenbedingungen, mehr Entlastung und eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf gerecht zu werden.
Wir stehen vor einem Scheideweg und müssen uns als Gesellschaft fragen, was uns ein leistungsfähiger Sozialstaat wert ist und ob wir mit dem bestehenden Instrumentenkasten für ausreichend Gerechtigkeit sorgen: In einem Land mit einer stetig wachsenden Zahl an Millionären und Milliardären ist die Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer längst überfällig. Ein großer Durchbruch wäre es zudem, wenn endlich alle Erwerbstätigen solidarisch in die Sozialsysteme einzahlen, einschließlich Beamter und Abgeordneter.

Ich fordere mehr Verantwortung und Beherztheit von der Bundesregierung. Große Reformen für die Bürgerinnen und Bürger gelingen nur so und nicht über Schlagzeilen!“
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Text: Sozialverband VdK Deutschland e.V.